BERICHT DER FU_FIGHTERS AUS LISSABON ==================================== Der RoboCup 2004 ging am Montag mit einem Symposium zu Ende. Nach durchgestandenem Turnier mutieren die Leistungssportler zu Wissenschaftlern und reden offen ueber ihre Roboter. Sie zeigen den Gegnern, warum eine Spielkombination gelungen ist, warum die eigenen Roboter vielleicht viel besser sehen konnten. Das Licht geht aus und wir vertagen uns auf den RoboCup 2005 in Osaka, Japan. Wir sind Weltmeister! Es war doch anstrengend, die anstrengendste WM, die wir je erlebt haben. Seit dem Endspiel haben wir nur versucht, den uns entgangenen Schlaf nachzuholen. Es war anstrengend, weil der Sieg immer am seidenen Faden hing. Als unsere kleinen Roboter zum ersten Mal auf das Feld gingen, wurden wir sofort als der grosse Favorit des Turniers bezeichnet. Unsere Roboter waren viel schneller als die anderen, fuhren eleganter durch das Feld und konnten sehr hart schiessen. Nur zwei weitere Teams konnten sich in den Weg stellen, die Roboroos aus Australien und Lucky Star aus Singapur. Lucky Star ist Weltmeister gewesen, die Roboroos waren amtierende Vizeweltmeister. Was aber die Gegner nicht wussten ist, dass unsere Roboter mit mechanischen und elektronischen Problemen zu kaempfen hatten. So wie alle andere Teams betreiben wir unsere Motoren am Rande der Spezifikation: Statt 6 V benutzen wir 10 V; beim Bremsen sogar 20 V. Dies hatte in der Vergangenheit keine grossen Auswirkungen, die Motoren haben erst nach hunderten von Stunden den Geist aufgegeben. Das Spielfeld hat sich aber fuer den RoboCup 2004 mehr als verdoppelt und unsere Maschinen sind schwerer geworden, bis auf fast 2 kg Gewicht. Die Motoren, die noch in Berlin die Strapaze beim Training ausgehalten haben, sind ploetzlich in Lissabon zum Risikofaktor geworden. Wir haben pro Spiel einen Roboter verloren. Verletzt am Bein, unfaehig weiter zu rollen, mussten wir ihnen nach jedem Spiel Motoren austauschen. Bereits nach dem ersten Tag wurde die Situation bedrohlich: Wir hatten nur zwei Ersatzmotoren am Lager. Eine Eilbestellung von Motoren wurde bestaetigt. Diese sollten noch vor dem Endspiel geliefert werden, ueber Kurier. Aber am Freitag kam nichts an: Ein Anruf beim Kurierdienst hat ergeben, die Motoren wurden nach Lissabon per LKW verschickt... Also mussten wir handeln, es fehlten uns Motoren. Am Freitag haben wir den Torwart auseinander genommen, die Motoren fuer die Feldspieler entnommen und einen neuen Torwart mit anderen Motoren (aus alten Robotern) gebaut. In wenigen Stunden hatten wir einen neuen Torwart, der alte hatte seine Beine an die Feldspieler geliehen. HALBFINALE ========== So gingen wir auf das Feld im Spiel gegen Lucky Star, der elegante asiatische Meister. Sie haben uns einmal besiegt, in dem Jahr wo sie Weltmeister geworden sind; wir hatten sie bereits zweimal bei anderen Turnieren besiegt. Unser Team ging auf das Feld und ploetzlich sehen wir den neuen Torwart zittern, von links nach rechts schwingend, als ob die Maschine Parkinson bekommen haette. Sekunden vor dem Abpfiff nehmen wir den Torwart raus und stellen einen alten Roboter ins Tor. Das ist, als ob man Oliver Kahn aus dem Tor nimmt und Guenter Netzer von der ZDF-Kabine ins Tor beordert. Aber Lucky Star ist maechtig von unseren Robotern beeindruckt. Sie haben im Training gesehen, wie wir ueber die Abwehr den Ball hochheben koennen und wie stark wir schiessen. Sie stellen sich defensiv ein, sie wollen wie die Griechen Konter spielen und aus der Verteidigung ueberraschen. Unsere Roboter spielen gut und setzen Lucky Star unter Druck. Das Spiel findet fast nur in ihrer Haelfte statt. Ein Schuss aus der Drehung bringt kurz vor der Halbzeit das 1:0 fuer uns. Die zweite Haelfte ist schwieriger. Wir haben bereits einen Feldspieler verloren, der Motor ist ausgebrannt. Der Ersatz ist ein alter Roboter. Lucky Star macht jetzt mehr Druck, aber die Abwehr steht sicher und so endet der Spiel 1:0 fuer unsere Roboter. Ein verdienter Sieg gegen eine sehr schwierige Mannschaft. FINALE ======= Jetzt geht es um das Endspiel. Die Gegner stehen fest: die Roboroos haben die Carnegie Mellon Universitaet klar im Halbfinale geschlagen. Wir haben aber fuer das Endspiel nur vier Feldspieler, einer ist verletzt, es ist kein Ersatz vorhanden und dazu noch der zitternde Torwart. In der Nacht von Freitag auf Samstag muessen wir uns etwas einfallen lassen. Zuerst reparieren wir den Torwart: Die Software wird angepasst, der Torwart wird als eine spezielle Art von Hardware definiert und wir bringen ihm das Fahren bei. Der PID-Regler wird neu eingestellt, die Computervision wird trainiert, um den Roboter besser vorhersagen zu koennen. Gewonnen wird von den Robotern auf dem Spielfeld, aber die Konzentration der Menschen, ihre schnelle Reaktion auf zuvor entdeckten Fehler ist noch wichtiger. Nur wer die Erfahrung hat, kann sofort merken, wo der Fehler liegt und an welcher Stelle es zu reparieren gilt. Alex Gloye und Fabian Wiesel haben die Erfahrung, und es gelingt den beiden, den Torwart vom Zittern zu heilen. Aber uns fehlt noch ein Feldspieler. Auch in der Nacht zum Samstag wird ein neuer Feldspieler gebaut. Wir leihen uns Motoren von einem Wiener Team, aehnlich den unseren, aber mit kleinen Unterschieden. Der PID-Regler muss innerhalb weniger Stunden angepasst werden, die Platine streikt auch. Sie wird umgeloetet, bis Spieler Nr. 4 wieder fahren kann. Nur zwei Stunden vor dem Endspiel haben wir die Hardware zusammen. Das Endspiel gegen die Roboroos wird Samstag um 14:30 angepfiffen. Unsere Roboter laufen aufs Feld, das Spiel beginnt. Wieder ein Schuss aus der Drehung als das Spiel gerade angefangen hat und es steht 1:0 fuer uns. Aber nach nur zwei Minuten steht Nr. 4 verletzt auf dem Feld. Ein Reset erlaubt ihm weiter zu spielen. Dreissig Sekunden spaeter hinkt der Roboter wieder, und jetzt begehen wir einen fatalen Fehler. Jemand ruft, "Roboter auswechseln", Mark Simon stoppt unseren Computer, aber keiner informiert den Schiedsrichter ueber die Auszeit (jedes Team hat vier Auszeiten). Der Schiedsrichter startet das Spiel wieder und waehrend unsere Roboter statisch auf dem Feld liegen, koennen die Roboroos den Ball ruhig nehmen und ein Tor schiessen. Wir protestieren, aber der Schiedsrichter laesst es nicht gelten. Es steht 1:1. Kurz danach stoppt Nr. 4 endgueltig. Die Elektronik hat den Geist aufgegeben. Wir nehmen eine Auszeit und ersetzen den Spieler. Von nun an haben wir keinen Ersatzspieler mehr. Sollte noch ein Motor brennen, koennen wir nur alte Roboter auf das Feld bringen. Zur Halbzeit steht es 1:1. Die Roboroos haben aber einen sehr starken "Dribbler" und es ist schwierig fuer unsere Roboter, den Ball anzunehmen. Sie schiessen hart und praezise. Es ist klar, dass das Spiel in der zweiten Haelfte sehr knapp wird. Wir denken nur an eins: Sollte das Spiel in die Verlaengerung gehen, werden wir wahrscheinlich Roboter verlieren. Die Motoren sind mittlerweile sehr heiss, wie wir in der Pause feststellen mussten. Aber unsere Abwehr laesst nichts anbrennen: Der Torwart steht sicher und stoppt die beiden Torchancen der Roboroos mit sicherem Reflex. Wer den ersten Fehler begeht, verliert das Spiel. Eine Minute vor Abpfiff ist es so weit: Nach einem Eckball fuer uns kommt der Torwart der Roboroos in Schwierigkeiten. Wir haben den Ball angehoben, ein Kunststueck welches nur wenigen Teams in Lissabon gelingt. In dem Gewimmel am Strafraum verliert den Torwart kurz den Ball und prompt schiesst einer unserer Spieler ein Tor. Die letzten zehn Sekunden werden angezaehlt, 3, 2, 1, aus. Die FU-Fighters sind Weltmeister! Vier mal haben wir im Finale gestanden, diesmal aber haben wir gewonnen. VOR DER WM ========== Weltmeister, das hoert sich gut an, bedeutet aber extrem harte Arbeit. Die letzten zwei Monate vor unsere Abreise haben wir samstags und sonntags gearbeitet und die Roboter immer wieder umgestellt. Die neuen Roboter zu bauen stellte sich als viel schwieriger heraus, als am Anfang gedacht. Wir mussten an vielen Stellen verbessern, z.B. bei den Raedern. Unsere alten omnidirektionalen Raeder sind zu "eckig", sie haben nur 12 kleine Raeder. Wir haben deswegen in der Woche vor unsere Abreise alle Raeder neu fraesen lassen und mit 30 kleinen Raedern ausgestattet. Das Ergebnis ist eine bessere Haftung und ruhigere Fahrweise. Aber wir entdecken spaeter in Lissabon, dass sich die Raeder sehr schnell abnutzen. Und wir haben nur wenig Ersatz. Wir muessen mit den Raedern haushalten und sie nur ersetzen, wenn es nicht anders geht. Eine Anekdote kann eine Idee des Gewaltakts vermitteln, der der Bau dieser Roboter gewesen ist. Wenige Tage vor der Abreise hatten wir immer noch keine fuenf Roboter zusammen. Das komplette Team hat zum ersten Mal komplett in Lissabon gespielt. In jener Nacht vor der Abreise habe ich neben Oliver Tenchio, unsere Meisterkonstrukteur, gesessen und ihn bei der Arbeit beobachtet. Keiner ausser ihm konnte den Zusammenbau uebernehmen, dieser bedarf zweier rechter Haende, die von uns nur Oliver besitzt. Er drohte vor Erschoepfung ueber den Robotern zusammenzuklappen und meine Aufgabe war nur, staendig mit ihm zu reden, so dass er nicht bei der Arbeit einschlief. Sekundenschlaf beim Bau der Roboter hatte ich noch nie zuvor beobachtet. Ueber unsere grossen Roboter wird noch zu berichten sein, auch da war das Ergebnis sensationell und wir haben wahre Fussballkrimis gespielt. Ich schliesse aber diesen Bericht hier ab, es muss uebers Netz vom portugiesischen Internetcafe nach Berlin. So kommt die Lusiade der FU-Fighters zu einem gluecklichen Ende. Wir haben hart fuer den Sieg gearbeitet und das schon seit 1998. Unterwegs hat sich eine Mannschaft geformt, die ihresgleichen sucht. Mit so viel geballten Talent musste der Sieg im Endspiel einmal gelingen. Und das Talent kommt von: Alexander Gloye, der als Team-Leader von den kleinen Robotern angetreten ist und den Robotern durch maschinelles Lernen das exzellente Fahren beigebracht hat. Mark Simon, der den Robotern Augen verliehen hat und dessen Computervision uns den Engineering Award der Liga beschert hat. Anna Egorova, die Abwehr und Torwart eingestellt hat: Nur drei Tore haben wir im ganzen Turnier kassiert. Fabian Wiesel, Multitalent in Hardware und Software, der die Elektronik zur maximalen Leistung brachte. Oliver Tenchio, dessen naechstes Projekt nur der Bau einer Weltraumstation aus Materialresten sein kann. Materialreste haben wir gewiss genug im RoboCup-Raum. Bastian Hecht, der den Robotern das Passen beigebracht hat. Cueynet Goektekin, der den Robotern das Hochschiessen antrainiert hat. Felix von Hundelshausen, Team-Leader der grossen Roboter. Er hat eine erstaunliche Truppe zusamengeschweisst und die Computervision der grossen Roboter geschrieben. Slav Petrov, der Torwart und Abwehr der grossen Roboter so gut programmiert hat. Ketill Gunnarson, dessen Name (sonst) immer falsch geschrieben wird, der aber den Roboter das richtige Verhalten beigebracht hat, zusammen mit all-around-man Fabian Wiesel und Fabian Ruf, der staendig am Werkeln war. Wolf Lindstrot hat die Hindernisserkennung programmiert und uns vor mancher roten Karte bewahrt. (Auch Gegner sind Hindernisse.) Holger Freyther und Henning Heinold, die kraeftig mitangepackt haben bei Hardware und Software. Achim Liers, der Elektronik-Guru, der unsere Platinen schon seit mehreren Jahren entworfen hat. Michael Schreiber, der nicht mehr bei uns ist, der aber das Design der grossen Roboters und des Schussapparates im Wesentlichen uebernommen hat. Und sollte ich jemand vergessen haben, sei es mir verziehen: So viele haben beigetragen und uns unterstuetzt. Raśl Rojas, im Namen der FU-Fighters, der Weltmeister