RoboCup 2003

Italienische Reise

Tagebuch der FU-Fighters beim RoboCup 2003 in Padua von Raúl Rojas

Kapitel 1: RoboCup, hier kommen wir! 3. Juli 2003

Alle Jahre wieder: die Weltmeisterschaft in Roboterfussball! Sie gehört seit fünf Jahren zu unseren festen Terminen. 1999 sind wir zum erstenmal zu einem Wettweberb gefahren, nach Stockholm. Damals hatten wir bis zwei Tage vor der Abfahrt nur einen Roboter getestet und programmiert. Die restlichen vier wurden in der letzten Nacht vor der Abfahrt fertiggeschraubt. So stiegen wir in Rostock auf die Fähre, ohne genau zu wissen, wie wir abschneiden würden. Zurückgekommen sind wir als Vizeweltmeister.

Man sollte denken, dass wir es nach so vielen Wettbewerben gelernt hätten, ein paar Tage oder Wochen vor dem Termin alle Roboter fertig zu bauen. Weit gefehlt! Die Erfahrung von damals hat sich jedes Jahr wiederholt. 2001 haben wir auch in einer Nacht und Nebelaktion omnidirektionale Roboter gebaut. Wir wollten eigentlich nur einen Torwart bauen, dann haben wir aber festgestellt, dass er viel besser war als die alten Roboter und in wenigen Tagen haben wir fünf zusätzliche gebaut. Auch letztes Jahr haben wir bis zum letzten Tag Roboter geschnitten, gedreht und montiert, diesmal sogar für die Liga der großen Roboter (50 cm Durchmesser).

2003 wird in die Geschichte eingehen als das stressigste Jahr unseres RoboCup-Projektes. Wir haben das Design des kleinen Roboters total umgestellt: wir haben eine Dribblerwalze eingebaut und die Computervision auf zwei Kameras umgestellt. Wir haben auch mid-size Roboter von A bis Z neu entworfen. Neue Motoren mussten her, das Getriebe wurde noch vor kurzem ausgewechselt, neue Spiegel kamen zum Einsatz und neue Laptops. Wir haben 2003 vielleicht drei oder viermal so viel gebaut und programmiert wie 1999. Und wir sind immer noch nicht fertig! Samstag geht es los mit den ersten Spielen, aber wir feilen und bauen immer noch. Wir sitzen in der warmen Halle in Padova, der Hauptrechner ist gerade abgestürzt und Mark Simon, unser Starprogrammierer, flucht vor dem Bildschirm. Alles unter Kontrolle, denke ich, so ist es halt jedes Jahr.

Computer und Roboter haben wir in einem LKW des Fachbereichs Geologie bis nach Padova hergeschafft. Das 3,5-Tonnen-Monster war etwas überdimensioniert für unsere Roboter und Computer, hat aber gute Dienste geleistet. Auf einer Fahrt von 18 Stunden haben wir manche Berge mit 60 Kmh bezwungen und in gemächlichem Tempo den Rest der Strecke bewältigt. Wenn Hannibal keine Elefanten gehabt hätte, hätte er unseren LKW verwendet, um über die Alpen zu kommen. Wir sind dann am Dienstag in Padova angekommen, eine Stadt die zur Veneto gehört, nur wenige Kilometer von Venedig entfernt. In der Renaissance war Venedig eine sehr reiche Stadt, die Stadt des Geldes, das Manhattan Europas. Als Preisgeld sollten die Organisatoren den Gewinnern des Wettbewerbs einen Palazzo in Venedig schenken - nur so eine Idee.

Erster Tag der Vorbereitung und alte und neue Gesichter sind da. Der amerikanische Meister, die asiatischen Meister, und natürlich auch wir, die europäischen Meister. Alle halten sich bedeckt, jeder trägt sein bestes Pokerface. Wir können drei Tage lang die Roboter programmieren und testen, aber wichtige Tests werden immer um 2 oder 3 Uhr morgens gemacht, damit der Gegner die Spielzüge nicht im voraus analysiert und sich darauf einstellen kann.

Gerade gestern, um 2 Uhr, ist unser neuer Dribbler getestet worden. Der Roboter bewegt sich elegant, der Ball klebt am Roboterfuß. Maradona hätte es nicht besser hingekriegt. Und unsere neue Geheimwaffe halten wir noch gut versteckt, aber mehr darüber später. Vielleicht lesen die Japaner mit.

Cornell University ist, wie immer, massiv angetreten. Die Studenten sind so viele, dass ich sie nicht alle zählen kann. Unsere Funkantenne ist gerade 5 cm lang, Cornells Antenne ist fast 2 Meter lang und sieht so aus, als ob man damit Satelliten aufspüren kann. Lucky Star, der pazifische Meister, ist mit einer kleinen, aber feinen Mannschaft dabei. Veteranen aus tausend Schlachten, drei davon gegen uns. Es steht 2-1 zwischen unseren beiden Teams, 1999 und 2002 hatten wir die Nase vorn, 2001 haben sie uns geschlagen.

Dieses Jahr haben wir ein hartes Pensum vor uns: in der Liga der kleinen Roboter muss man 8 Spiele bestehen, will man Weltmeister werden. In der Liga der großen Roboter sind es mehr, 11 Spiele müssen die Roboter aushalten. Das ist nicht einfach. Die Kollisionen mit den großen Robotern setzen zu viel Energie frei. Der beste Rechner kann dabei abstürzen und dann liegt der Roboter verletzt am Boden, in Windows-Agonie und muss von den Sanitätern raus getragen werden. Am Spielrand wird der Roboter wieder fit gemacht und nach ein paar Minuten ist er wieder drin, mit virtuellen Bandagen an den Knien.

Ich schaue mich um: an jeder Ecke liegen die Roboter am Boden, den Bauch aufgeschlitzt, wie römische Gladiatoren nach gelungener Vorstellung. Aber sie werden auferstehen - der Kampf steht noch bevor. Am Samstag ist Anpfiff und wir sind dabei!

Kapitel 2: Vorrunden 6. Juli 2003

Es ist Sonntag in Padua, 23:30, und der Tag ist längst noch nicht zu Ende. Die Nacht wird wahrscheinlich verwendet, um letzte Verbesserungen an den FURobotern vorzunehmen oder diesmal wirklich den allerletzten Bug zu beheben. Wir sind Gruppensieger! Das ist die Neuigkeit des Tages. In der Liga der großen Roboter haben wir kein Spiel verloren, nur ein Unentschieden gehabt und deswegen spielen wir in der nächsten Runde weiter. Aber nun etwas langsamer, denn es ist viel seit dem letzten Bericht geschehen.

Am Freitag, dem letzten Tag der Vorbereitung für das Turnier, haben die kleinen Roboter am Dribbeln-Torschuss-Wettbewerb teilgenommen. Diese Wettbewerbe dienen dem Warmlaufen der Roboter und wir haben den Test nicht besonders vorbereitet. Wir nahmen einfach mit dem normalen Programm teil. Unsere Roboter schießen tapfer aus jeder Ecke mit den ins Feld geworfenen Bällen und treffen 17 mal in zwei Minuten. Nur RoboRoos aus Australien trifft häufiger als wir, 20 mal. Mit dem Ergebnis sind wir recht zufrieden: unsere Roboter können das Tor finden.

Die Vorrunde startet am Samstag. Bis jetzt haben die small-size Roboter bereits zwei Spiele souverän gewonnen, beide 10 zu 0, und zwar gegen die RoboCats der Universität Ohio in den USA und gegen das Team Osa-yan aus Japan. Ein Team aus dem Iran tritt erst gar nicht an, sie haben Probleme mit den Robotern und fürchten sich vor uns als Gegner. Mit drei gewonnenen Spielen sind wir bereits für die nächste Runde qualifiziert. Nur das Spiel gegen Osa-Yan, das wir als Testspiel nutzen, offenbart zwei Fehler. Unsere Roboter haben das Elfmeterschiessen verlernt! Wir treffen drei von vier Malen, aber der Winkel stimmt nicht. Bis vor unserer Abreise konnten die Roboter mit geschlossenen Augen und Blei am Fuß blitzschnell in jede Ecke des Tores treffen. Heute verwandelt unser Schütze die Elfmeter durch die Mitte des Tores! Nur weil der Torwart von Osa-Yan sich nach rechts streckte gingen die Bälle rein. Aber da das Spiel so eindeutig für uns läuft, ändert dies nichts.

Wir müssen nur morgen, Montag, gegen ein Team aus Singapur gewinnen, damit wir Gruppensieger werden. Die Aufgabe scheint lösbar - das andere Team kennen wir schon lange, unsere Roboter sind viel schneller.

Nun zu der Liga der großen Roboter.

Wir haben fünfmal gespielt, viermal gewonnen und einmal unentschieden. Die Ergebnisse sind:

Universität Uppsala, Schweden FU - Fighters 0:5
Universität Ulm FU - Fighters 0:6
Universität Graz, Österreich FU - Fighters 0:7
Fraunhofer Gesellschaft-GMD FU - Fighters 2:3
Universität Dortmund FU - Fighters 1:1

Damit sind wir Gruppensieger vor Dortmund, das dieselbe Anzahl von Punkten vorweisen kann, aber eine schlechtere Tordifferenz hat.

Das Spiel gegen Uppsala war besonders interessant, weil wir nur wenige sind im Vergleich mit der geballten Kraft von 20 bis 30 Schweden, alle im gelben Trikot der Universität. Aber als die Tore fallen, verstummen die Schweden und ziehen nach und nach ihre Trikots aus. Der Sieg ist eine Belohnung für die Leute, die die ganze Nacht davor durcharbeiteten, um der Steuerungssoftware den letzten Schliff für das Spiel zu geben. Schließlich waren die Roboter und große Teile der Software für dieses Jahr vollkommen neu.

Beim Spiel gegen die Brainstormers Tribots der Universität Dortmund endete die erste Halbzeit mit 1:0 zugunsten der Dortmunder. Die leicht desorientierten Berliner erholten sich in der zweiten Halbzeit und schossen das verdiente Gegentor. Das spannende Match endete somit 1:1.

Aber das entscheidende Spiel findet gegen die Fraunhofer Gesellschaft-GMD statt. Das Team belegte immerhin den vierten Platz letztes Jahr in Japan und gehört zu den Favoriten. Aber wir gewinnen das Match 3:2 in einer Herz zerreisenden Partie. Zweimal gehen Roboter von uns hart angeschlagen vom Spielfeld. Bei einem Roboter löste sich das Getriebe vom Motor ab, bei einem anderen stürzt das Programm ab. Aber die anderen Roboter haben auch gegen ähnliche Probleme zu kämpfen und ein spätes Tor gibt uns den Sieg.

Und nun muss ich aufhören, an schlaffen ist nicht zu denken, Getriebe und Motoren müssen gewartet, die Software verbessert werden. Morgen Montag geht es weiter: in der Liga der kleinen Roboter hoffen wir auf den Gruppensieg. In der Liga der großen Roboter hoffen wir auf den Einzug in die Gruppe der letzten acht Teams. Von da aus gilt die KO- Regel, wer ein Spiel verliert ist draußen. Triumph oder Niederlage liegen oft eng beieinander, aber wie Rudyard Kipling schrieb: "If you can meet with triumph and disaster and treat those two impostors just the same"

Unabhängig vom Endergebnis sind wir bereits jetzt recht zufrieden mit das, was wir hier in Padua als Ergebnis unserer Arbeit vorstellen.

Kapitel 3: Gruppensiege 10. Juli 2003

Johann Wolfgang von Goethe - er hat auch seine italienische Reise gehabt. Vom Weimarer Großherzog Karls-August gesponsert, ist er durch das Land gereist und ist in dem Hotel, in dem wir verweilen, abgestiegen. Wir wohnen tatsächlich in Casa del Pellegrino und schlafen vielleicht sogar im dem Zimmer, in dem Goethe gedichtet hat!

Aber unsere FU-Fighters-Dichter schreiben Code, Geheimsprache für die nicht Eingeweihten. Geschlafen wird wenig, wir haben bereits zwei Nächte beim Computerdichten verbracht.

Wir sind Gruppensieger, gleich zweimal!

In der Liga der kleinen Roboter haben wir, wie erwartet, das Team Field Rangers aus Singapur geschlagen. Ultradefensiv eingestellt, versuchten ihre Roboter den Spielfluss jedes Mal zu stören, den Ball zu umzingeln, so dass nichts mehr weiterging. Sie spekulierten auf Null-Null, oder auf ein Kontertor. Unsere Roboter versuchten an den Ball zu kommen, drängen ins Feld. Wir handeln uns eine gelbe Karte ein, und als wir uns am Spielrand aufregen und protestieren kommt prompt die zweite gelbe Karte, diesmal gegen die Trainer. Das bedeutet die rote Karte für einen unserer Roboter, gleich am Anfang des Spiels! Von nun an halten wir den Mund, ärgern wir uns nur innerlich, aber die Roboter sind gut eingestellt und zu viert gewinnen sie das Spiel deutlich, 4-0. Ein Tor ist besonders spektakulär: aus einem Freischuss passt der Roboter zum Mann weit vorn, der mit einer Halbdrehung direkt ins Tor schießt und verwandelt. So ein Tor hat man noch nie bei RoboCup gesehen. Das Fachpublikum am Spielrand, Wissenschaftler aus vielen Ländern, zollt dem Spielzug Annerkennung.

Es ist also Dienstag und gerade haben wir noch ein Spiel gegen eine thailändische Mannschaft gewonnen, 11-1. Das erste Tor des Turniers gegen unsere Roboter fällt, weil der Referee von seinem Computer den falschen Befehl schickt. Statt Anstoß erhält unser Computer den Befehl Platz für den Ball zu lassen (um den Ball zu positionieren). Das andere Team nimmt den Ball, fährt gemächlich zum Tor und unsere Roboter bilden ein Spalier, um dem Ball Platz zu geben. Sogar der Torwart geht zur Seite, als guter Gastgeber, der den anderen Roboter ins Tor einlädt. Aber trotz des Schönheitsfehlers ist die Defensive gut eingestellt.

Heute am Abend geht es um den Einzug ins Halbfinale. Wir müssen das portugiesische Team 5DPO schlagen, dann sind wir weiter. Die Aufgabe scheint lösbar, aber 5DPO wird auch ultradefensiv spielen, wir versuchen, den Spielfluss zu stören und unsere Roboter keinen Platz zu geben. Wir müssen uns auf ein hartes Spiel gefasst machen.

In der Liga der großen Roboter sind wir gestern ins Viertelfinale eingezogen. Mit zwei Siegen und einer Niederlage hatten wir genug Punkte in der zweiten Phase des Turniers, um ins Feld der acht besten Teams zu gelangen. Der Tag war aber alles anderes als einfach.

Das erste Spiel gegen 5DPO aus Porto (die auch ein small-size Team haben) war unser bestes. Der Torwart ist gut positioniert, der Angriff geht gut über die Flügel und wir verwandeln vier Tore. Ein guter Auftakt.

Aber der nächste Gegner ist Winkit aus Japan, amtierende Vizeweltmeister. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, sie sind einfach zu schnell, so schnell wie unsere Roboter, aber mit einem Schussmechanismus. Unsere Roboter haben keinen Schussapparat, es gab keine Zeit ihn anzufertigen. Damit haben wir eigentlich bereits Geschichte geschrieben: wir sind das einzige Team im Feld der letzten acht ohne Schussapparat! Wir ersetzen ihn durch Dribbelkunst und Schnelligkeit.

Gegen Winkit wird es aber nicht reichen und deswegen improvisieren wir: das Programm wird umgeschrieben, Spielzüge verändert. Das Ergebnis ist katastrophal: die Roboter gehen unvorbereitet auf das Spielfeld, etwas konfus im elektronischen Kopf. Es ist ein Gemetzel, Winkit gewinnt deutlich mit 7-0. Das ist aber kein Beinbruch: wir können noch die Italiener schlagen, um ins Viertelfinale zu kommen. Aber die Italiener sind natürlich die lokalen Favoriten, das Team ist aus Padova selbst. Die Spannung ist groß, die Italiener umkreisen das Spielfeld. Wir werden übermütig. Wir glauben, dass wir gewinnen können und verändern das Programm noch einmal, wir müssen mindestens einmal mit dem neuen Programm gut spielen können, so dass wir wissen, dass es funktioniert. Aber etwas ist falsch: die Roboter schwingen wie plötzlich vom virtuellen Parkinson befallen. Sie sind am Ball, dribbeln aber nicht so gut wie am Tag zuvor. Die größere Geschwindigkeit bringt uns drei Tore, die Italiener stehen mit dem Rücken gegen die Wand. Unsere Roboter sind aber durch das schnelle Tempo und das Zucken stark angeschlagen, zwei Minuten vor Spielende fällt ein Roboter nach dem anderen aus. Eine Minute vor dem Spielende steht nur noch der Torwart im Tor und verteidigt gegen die Angriffe des Gegners, 20 Sekunden vor dem Spielende gibt sogar der Torwart den Geist auf. Er steht versteinert im Tor, kümmert sich nicht um den Ball. Aber die Italiener verheddern sich mit dem Ball und während sie noch zum Tor fahren ist das Spiel abgepfiffen! Wir sind im Viertelfinale - aber mit den Nerven am Ende. So etwas darf sich nicht wiederholen.

Heute um 15:00 spielen wir um den Einzug ins Halbfinale, aber der Gegner ist zu stark. Es ist Eigen, der amtierende Weltmeister aus Japan. Sie dribbeln ähnlich gut wie wir, haben aber einen Schussapparat, was wir nicht haben. Wir werden aber unser bestes geben, das Programmierteam ist bereits seit 6AM in der Halle und während ich dies schreibe, wird die Software auf Eigen umgestellt.

Wir werden wieder versuchen maximales Tempo zu verwenden, das ist unser einziger Schutz gegen den Schussapparat.

Unser neuer mid-size Roboter hat aber bereits in der B-Note gewonnen. Der Roboter wird allgemein gelobt, als die beste mechanische Leistung mit dem niedrigsten Gewicht. Nur 9 kg bringen unsere Roboter auf die Waage; 20 bis 30 kg sind hier die Regel. Wir wissen bereits, dass wir nächstes Jahr vier oder mehr ähnliche Roboter bei RoboCup sehen werden: es geht hier zu wie bei der Formel 1. Innovation wird anerkannt und sofort kopiert. Clones von unseren kleinen Robotern haben wir bereits in diesem Turnier gesehen, Kopien der großen werden wir 2004 sehen.

Aber das ist eigentlich der beste Beweis dafür, dass man etwas richtig macht: nur wenn andere unsere Ergebnisse verwenden können wir sicher sein, dass sie etwas wert sind. Sollten wir gegen das Eigen-Team aus Japan untergehen, werden wir es mit fliegenden Fahnen tun. Wir wollen nur zeigen, dass die Freie Universität Berlin sich mit den besten der Welt messen kann. Schade nur, dass es keinen Goethe mehr gibt, der Sieg oder Niederlage besingen kann.

Kapitel 4: Ende der Reise 11. Juli 2003

Die siebte Ausgabe des RoboCups ist gerade gestern zu Ende gegangen. Die Halle 7 in Padovas Messegelände wird abgebaut. Die Felder sind noch da, aber leer. Die Roboter sind bereits verpackt und weitgehend abtransportiert.

Wir sind Dritter in der small-size Liga geworden. Wiederum hatte die Universität Cornell die Nase vorn, wie bereits im Finale des letzten Jahres. Es gab aber einen großen Unterschied zu allen Spielen, die wir bis dato gegen die Amerikaner bestritten haben. Wir waren diesmal die eindeutig beste Mannschaft des Turniers! Wir haben besser gespielt, Pässe und Kombinationen gezeigt und hatten ein gutes Stellungsspiel. Cornell, dagegen, hat einen einzigen Spielzug verwendet, der jedoch leider sehr effektiv ist: mit ihrem starken Dribbler kleben sie den Ball an einen Roboter, der dann sehr schnell nach vorne drängt, sich seitlich nach links oder rechts bewegt und nur auf eine Lücke in der Abwehr wartet, um einen starken Schuss zu machen. Cornell spielt nicht Fußball sondern Rugby. Man kann einen solchen Spielzug nur stoppen, indem man den Roboter abfängt, was jedoch verboten ist. Cornells Dribbler entspricht einem Fußballspieler, der mit einem Magneten den Ball am Körper klebt und dann wie ein Leichtathlet einen Hundert Meter Lauf macht.

Das Spiel gegen Cornell war bis heute unser bestes bei einem RoboCup. Beide Teams schenkten sich nichts und es stand nacheinander 1-0, 1-1, 2-1, 2-2, 3-2, 3-3, 4-3, 4-4. Am Ende der regulären Spielzeit gab es also keinen Gewinner! So eng war ein Match von uns gegen Cornell noch nie, wir denken wir werden es schaffen, und die Nerven der Teammitglieder liegen blank. Nach der ersten Verlängerung steht es immer noch 4-4. Eine zweite Verlängerung wird gestartet und dann geschieht es: Cornell macht das Golden Goal und besiegt unser Team. Wir sind etwas ratlos, aber das Fachpublikum ist eindeutig auf unsere Seite. Uns wird gratuliert, einfach weil wir besser gewesen sind. Viele Kollegen sind entsetzt, dass Cornell auf die Weise gewinnen konnte. Aber nicht immer siegt die bessere Mannschaft.

Das ist überhaupt der Widerspruch eines solchen Wettbewerbs wie dem RoboCup. Einige Teams wählen Strategien und Hardware, die effektiv sind (wie Cornell), die aber nicht besonders interessant, im Sinne von intelligenten mobilen multiagenten Systemen, sind. Wir wählen Strategien, die eher eine starke Forschungskomponente haben. Wir spielen offen und gehen aggressiv zum Ball. Unsere Roboter wollen den Ball haben, geben ihn ab, machen Kombinationsspiel. Es ist einfach schön anzusehen.

Nach dem Spiel gegen Cornell ist es ein leichtes, gegen Carnegie Mellon das Spiel um den dritten Platz zu gewinnen, 6-1 steht es am Ende für uns. Man vergisst aber dabei sehr schnell, dass Carnegie Mellon eigentlich eine Hochburg der Robotik in den USA ist. Dort werden Roboter für die Reise zum Mars gebaut, Roboter die in Vulkane absteigen, Roboter die autonom auf der Autobahn fahren. Und wir haben sie besiegt!

Das ist aber alles schon Geschichte. Unsere italienische Reise ist zu Ende gegangen, und wir können uns zum ersten Mal ausruhen und länger schlafen. Von den acht Tagen fanden an fünf Tagen ununterbrochen Spiele statt. Von diesen fünf Tagen haben wir dreimal die ganze Nacht durchgearbeitet. Wir sind so müde, dass wir eine Weltmeisterschaft gegen eine Stunde Schlaf tauschen würden.

Und Schlaf fehlte uns auch im Spiel gegen das Team Eigen aus Japan in der Liga der großen Roboter. Wir sind ins Feld der acht besten Teams vorgestoßen, und das ist eigentlich eine kleine Sensation, weil von den acht Teams wir die einzigen ohne Schussapparat sind. Uns war klar, dass das Spiel gegen Eigen schwierig sein würde. Eigen war letztes Jahr Weltmeister. Sie haben aber mechanische Probleme und das könnte unsere Chance sein. Das Spiel beginnt, unsere Roboter spielen nicht so gut wie gedacht. Das neue Programm bringt die Roboter nicht schnell genug nach vorne, wir lassen viele Lücken offen. Am Ende der ersten Halbzeit steht es 4-0 für Eigen. Wir müssen etwas tun, zurück zum alten Programm gehen und testen ob das besser ist. Aber das übernächtigte Programmierteam hat kein Backup des Programms gemacht! Wir haben nur diese eine Version des Programms. Felix kann aber auf der Platte Sourcecodes ausfindig machen, und in der Pause rekompiliert er das ganze Programm. Wir wissen nicht, ob das Programm komplett ist, aber wenn man 4-0 zurückliegt muss man alles riskieren. Und tatsächlich, die zweite Hälfte geht 2-2 zu Ende. Wir haben 6-2 verloren aber am Ende eine kleine Verbesserung gezeigt. Allerdings hat Eigen mitgeholfen, die japanischen Roboter sind in der zweiten Hälfte nicht mehr so treffsicher und wirken angeschlagen.

Summa summarum sind wir in der Liga der großen Roboter das beste deutsche Team, ein exzellentes Resultat, da wir im März bei der German Open, der Generalprobe zur Weltmeisterschaft gar nicht angetreten waren. Die Roboter waren gar nicht fertig, die Software auch nicht. Alle anderen Teams waren bei der German Open dabei und wundern sich über unser Team. Das Ergebnis ist gut und im nächsten Jahr können wir wirklich um den Titel spielen, wenn unser Schussapparat fertig und auf den Robotern montiert ist.

In der Liga der kleinen Roboter sind wir dem Titel so verdammt nahe gekommen. Der Weltmeistertitel hätte unser sein können. Es sollte nicht sein, aber unser Spiel gegen Cornell hat den anderen Teams die Augen geöffnet: nächstes Jahr wird der Dribbler, fast mit Sicherheit, verboten werden. Davon ist bei mehreren Teams die Rede. Eine Genugtuung für uns, die so viele Jahre gegen den Dribbler von Cornell argumentiert haben.

Die Halle leert sich, die letzten Reisen ab. Auch ich fahre mit Felix zurück nach Berlin und der RoboCup VII ist nun Geschichte. Wir verlassen Padova mit dem Gefühl unser bestes getan zu haben und sind stolz auf unsere Roboter und die Ergebnisse unserer Arbeit. Es waren 12 harte Monate und viele Wochenenden, die wir am Institut verbracht haben.

Ich fühle mich zufrieden mit dem Erreichten und mit dem Teamgeist unserer kleinen aber feinen Gruppe. Ich bin einfach glücklich so viel Talent im Team zu sehen: Oliver Tenchio, der Mann mit den goldenen Händen. Er könnte eine Mondrakete aus Materialresten bauen. Michael Schreiber, unserer sturer Erbauer der schönsten mid-size Roboter, die in Padova gezeigt wurden. Fabian Wiesel - ohne ihn würden die Roboter gar nichts können, alle embedded Programme und die Kommunikation sind sein Werk. Und, dass er in nur zwei Wochen den mid-size Robotern das Fußballspielen beibringen konnte, ist fast ein Wunder. Ketill Gunnarson, neu im Team, aber bereits so integriert und eingespielt mit Felix und Fabian, dass wir ohne ihm nicht so gut abgeschnitten hätten. Anna Egorova, die einzige Frau im Team, hat zusammen mit Mark, den Robotern, in unermüdlichen Trainingseinheiten in Berlin und Padova , das Passspiel beigebracht. Alexander Gloye, Teamleader des small-size Teams - ihm ist es gelungen, den Gesamtüberblick über das System zu behalten und alle Beiträge unter einen Hut zu bringen. Felix von Hundelshausen, der wahrscheinlich im Schlaf programmieren kann. Er hat den mid-size Robotern Augen gegeben, damit sie das Feld und den Ball finden können. Ich weiß nicht mehr, und er selber wahrscheinlich auch nicht, wie viele Stunden er im Keller mit dieser Aufgabe zugebracht hat. Achim Liers, der nicht mit nach Padova kam, weil er eine Reiseallergie hat, der aber unsere Elektronik schuf. Ohne ihn hätten die Roboter kein Gehirn. Erstaunlich wie er das alles nebenbei macht. Und Sven Behnke, der nicht mehr bei uns ist, sollte nicht unerwähnt bleiben. Er hat so viel auf allen Ebenen beigetragen.

Und last but not least: unser Team hat viele Gehirne, viele intelligente Studenten und Mitarbeiter. Das Team schlägt aber mit einem einzigen Herz. Und dieses Herz ist unser Mark Simon, der beste Programmierer der Welt. Er entfacht so viel Energie wie drei von uns, kann immer weiter machen wenn wir schon am Aufgeben sind.

Fünf RoboCup-Wettbewerbe und mehrere Europameisterschaften sind vorbei. Viele Titel und Trophäen haben wir im Laufe der Jahren gesammelt, aber meine Damen und Herren des FU-Fighters, ich bin nicht auf Titel stolz, ich bin darauf stolz Euch meine Freunde und Teamkameraden nennen zu dürfen.

RoboCup: wir kommen wieder!